Romanwerkstatt
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Also, wie gesagt, von Hand geschrieben. Blau oder schwarz auf weiß. Kariertes DIN-A5-Papier. Keine Ahnung, wieso ausgerechnet dieses Format. Aber's hat genau die richtigen Dimensionen, ist wie dafür gemacht, auf den Knien beschrieben zu werden. Ein stabiles Pappklemmbrett gleichen Formats, damit die Chose nicht ins Rutschen kommt, wenn man's nicht will. Damit das Papier sich nicht selbständig machen kann. Das soll den Tintenströmen vorbehalten bleiben. Klemmbrett also auf den Knien, auf den Oberschenkeln, am besten die Füße auf dem gleichen Niveau wie der Hintern, also auf einem gegenüberstehenden Stuhl zum Beispiel geparkt. Oder im ICE das Fußbänkchen in der höchsten Position eingerastet.
Will meinen: Schreiben kann ich überall und in (fast) allen Lebenslagen.
Überhaupt ICE. Hab ich noch gar nicht gebührend gewürdigt. Ich kann nirgends so gut schreiben wie im Zug. Eigentlich ein Grund, drei-, viermal um den Pudding oder von Frei- nach Flensburg oder von Neuss nach Joenssu in finnisch Karelien zu fahren. So weit käm das noch! Ist es noch nicht gekommen, so weit. Aber die Landschaft, die Städte an sich vorbeidefilieren zu lassen, das Handy nicht zu bemühen, sämtliche SMS sträflich zu vernachlässigen, Email Emails sein zu lassen, das Internet sich ganz allein und im Stillen, jedenfalls in meiner Abwesenheit und ohne mein Dazutun verheddern zu lassen – rollender Elfenbeinturm, stilles Kämmerlein, Einsiedelei und Dichterstübchen: ein Genuss, sag ich euch! Die Leidenschaft beim Blick aus dem Zugfenster zum Beruf gemacht.
Deshalb also muss unser Felix das ganze Hin- und Hergefahre mit dem Zug (plus Fähren, versteht sich) absolvieren, deshalb also muss ich ihm eine ausgewachsene Flugangst andichten.
von Ulrich Land (Kommentare: 1)
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Kommentar von Ulrich Land |
"Von allen Verkehrsmitteln bringt die Eisenbahn die Gedanken vielleicht am besten in Fahrt: Die Aussicht ist nicht monoton, die Bahn fährt schnell genug, aber so langsam, dass wir Gegenstände identifizieren können. Sie eröffnet uns kurze, anregende Einblicke in die Privatsphäre anderer Menschen, lässt uns einen Blick auf eine Frau erhaschen, wenn sie eine Tasse vom Bord nimmt, bevor sie uns weiterführt zu einem Park, wo ein Kind einen Ball fängt, von jemandem geworfen, den wir nicht sehen können. […] Jedes Mal, wenn mein Verstand aussetzt beim Aufkommen eines prekären Details, hilf die Möglichkeit, aus dem Fenster zu sehen, den Blick auf einen Gegenstand zu heften und ihn für ein paar Sekunden verfolgen zu können, meinem Bewusstsein über die Hürde hinweg. Bis ein Gewirr neuer Gedanken auftaucht und sich ohne Druck aufdröseln lässt. […] Unserem wahren Ich begegnen wir nicht notwendigerweise zu Hause, wo das Mobiliar steif und fest behauptet, dass wir uns nicht ändern können."
(gefunden bei Alain de Botton,
britisch-schweizerischer Schriftsteller, geb. 1969 in Zürich)
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