Romanwerkstatt

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Also. Um dem nachvollziehbaren Wunsch meines Bruders entgegenzukommen: ganz konkret! Ganz handfest. Zumindest das, was nach der Idee kommt, wie draus wird, was das draus wird, das also, was man mit der Idee anfängt, das kann man verraten und vermitteln. Durch den Türspalt. Und zwar ganz konkret:

Ich schreibe leidenschaftlich. Schreibe überall. Von Hand. Old School. Je literarischer die Texte, desto mehr. Zuhause mit Füller, unterwegs – zugegeben – mit einem profanen Kuli. Selten mit Bleistift, sehr selten, ist mir irgendwie zu unverbindlich. Und wenn denn doch, dann 3B-Härtegrad. Oder Weichegrad. Andre Bleistifte, finde ich, kratzen. Würde in Sachen Krätze zwar passen, aber grundsätzlich finde ich, Schreiben muss fließen. Gut, wenn's gut flutscht. Weich wie Butter. Echter Warmduscher eben. Deshalb auch Kulis mit möglichst breiter Kugel, Füller mit weicher Feder. Abgesehn vom guten alten Kolbenfüller (Marke egal) am liebsten diese Billigkulis, ex und hopp, transparent und (wegen der Plastikverschwendung) political un-correct, mit farbigem Spitzhut einerseits und gleichfarbigem Stopfen andererseits. Gibt nichts Schöneres, als auf dem Balkon zu sitzen oder auf einem s-pitzen S-teine an murmelndem Bächelein oder vis-à-vis einer hundebepinkelten Fabrikmauer und zuzusehn, wie der Tintenspiegel in seinem Röhrchen sinkt. Und sinkt. Wie die Tinte aufs Papier fließt.

Schön wär's. Ist es auch meistens. Logo, nicht immer. Gibt Situationen, Szenen, Kapitel, wo's sprudelt, wo ich nicht so schnell schreiben kann, wie's mir in den Sinn kommt und aus dem Kopf fällt. Gibt aber natürlich auch Phasen, wo's klemmt, wo's zäh ist. Hinlänglich bekannt, hinlänglich beklagt, hinlänglich belamentiert. Burn-Out, leergeschrieben: klappern mit den Problemen des Handwerks.

Mich interessieren – naturgemäß – eher die Arien, wo's so richtig läuft, geschmeidig und locker vom Balkonhocker. Die Tinte, die Spannung, die Stimmung, die Dialoge. Wenn ich mich da richtig beobachte, sind die Passagen, wo besagter Tintenspiegel besonders wacker fällt, vor allem solche, wo's um Demütigungen geht. Die Bustier-Szene mit Senator Nabokov in "Lolitas später Rache", der Biertischtanz der kleinen Ursula in "Michel B.", das Anbiedern der schottischen Lady Jane Blankfield beim "Messerwetzen im Team Shakespeare". Ich glaub, in jedem meiner Bücher gibt's so eine Passage. Das schreibt sich weg wie warme Semmeln. Und jetzt – bei der Krätze?

von Ulrich Land (Kommentare: 2)

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Kommentare

Kommentar von Katja Fusek |

Lieber Uli
Da warte ich schon den dritten Blog ab, um zu sehen, was ein Dozent für literarisches Schreiben zum konkreten Werdegang seiner Roman-Enstehung schreibt. Es hat mich sehr gewundert, ob wir Auto-Didakten, die wir die meisten Autorinnen und Autoren doch letztendlich sind, da auch etwas Handfestes ganz schnell und mit Blick durch den Türspalt dazulernen können. Und es hat mich doch beruhigt, dass ganz vieles, ganz Wesentliches doch wieder nur mit Zauber und Magie erklärt werden kann. Obwohl das Handwerk ja durchaus erlernbar sein mag, aber wie aus dem Handwerk dann Kunst wird oder Literatur dann doch wieder nicht. Zum Glück.
Herzlich Katja

Kommentar von Ulrich Land |

... ja, die Magie - ich glaube tatsächlich, dass es da irgendwo eine Landschaft in unserm Schriftstellerschädel gibt, wo der Zauber herrscht. Eine Art Wonderland. Wo die Ideen funken. Und in der Mitte dieser bewegten Gebirgslandschaft befindet sich der Teich mit der Ursuppe, wo die Funken der Ideen einschlagen und das Tintenfass überquellen lassen. Gradezu magisch, wenn ich etwa dran denke, wie die Lolita-Idee in mir keimte, die allererste, noch völlig unkonturierte, plötzliche - zack - Eingebung: verkappter Vatermord. Und dann die zweite direkt hinterher in den Kopf schoss: Lolita hat eine Tochter (in: "Lolitas späte Rache"). Oder bei der "Krätze" die Idee: Jemand erfährt in der absoluten Einsamkeit, dass er jemanden entführt haben soll, bevor dann genau dieser Jemand auftaucht. In der absoluten Einsamkeit.

Das sind, ich kann mir nicht helfen, magische Momente.

Und danach dann das Handwerk. Die Mühsal. Bei den Versuchen, die überströmenden Tintenströme einzufangen und einzudämmen, einzufassen und anzufassen, eben aufs Papier zu bringen. Aber davor gibt es einen Ur-Sprung der verrückten Ideen, glaub ich. Diesen Pool gibt's vermutlich bei allen Menschen, aber wir Schreiberlinge haben's uns irgendwann mal zur Aufgabe gemacht, genau da genau und genauestens hinzusehn. Und dranzubleiben, was eben auch ein ganz wichtiger Aspekt ist.

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