Romanwerkstatt

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Dann dieser Film aus der DDR. Angegilbtes ORWO-Filmmaterial. Seh ihn noch vor mir. Einzelne Bilder. Benannt – wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht – nach dem legendären Gedicht "Hälfte des Lebens":

Hälfte des Lebens - kommt übrigens fast hin. Hölderlin hat das Gedicht 1798 verfasst, da ist er 28. Als es in gedruckter Form erscheint, ist er 35. Die Mitte seines Lebens erreicht er anderthalb Jahre später. Auch mit seinen jungen 28 Jahren also lag er keineswegs falsch mit der Befürchtung, dass in der zweiten Hälfte des Lebens die Fahnen nicht mehr buntwallend wehen, sondern eher klirren.

Hälfte des Lebens - Paradebeispiel für das Zeitlose Hölderlin'scher Verse! Obwohl oder grade weil es hier um das Vergängliche, um die Spuren des Verstreichens der Zeit geht.

Zudem dieser verblüffende Mut, sich Ende 18. / Anfang 19. Jahrhundert über poetische Konventionen wie den den Reim hinwegzusetzen! Hochmodern aus heutiger Sicht. Hölderlins Zeitgenossen dagegen dürften es als ungebührlich, als Provokation, nicht wirklich als Gedicht empfunden haben.

Zurück zum Film aus den DDR-Lichtspielwerkstätten. Dieser war es, der mich mit Hölderlins Leben bekanntmachte. Und mit Susette Gontard. Mit diesem lebenslangen Unglück. Das er über Jahre und Jahrzehnte mitgenommen, getragen und ertragen hat. Diese durchaus auf Gegenseitigkeit beruhende Liebe zur Ehefrau eines reichen Bankiers. Die unverheilte, chronisch offene Wunde. Deutlich länger während als die Hälfte des Lebens.

Auch diese nie verlöschende, obwohl absolut hoffnungslose Hoffnung gehört zu dem, was mich an Hölderlin so fasziniert.

von Ulrich Land (Kommentare: 0)

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