Romanwerkstatt

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Ich hatte den Kommilitonen mit seiner radikalen These ziemlich aus den Augen aus dem Sinn verloren, als er mir plötzlich in der Mensa über 'n Weg lief. Als wir einen Plastikbecherkaffee zusammen tranken und ich ihn noch mal auf seinen Vortrag ansprach, der mich so beeindruckt hatte.

Worauf er bemerkenswert blass wurde. Die Doktorarbeit habe ihn noch reichlich Schweiß gekostet und seine akademische Laufbahn gründlich vermasselt. Hatte er sich doch auf einen, wenn ich mich recht entsinne: belgischen Germanisten bezogen – nein, wie ich jetzt weiß, auf einen französischen mit Namen Pierre Bertaux, der Hölderlins "Geisteskrankheit" zwar nicht unwidersprochen stehen lassen wollte und vor allem die von Hölderlin zum Abwimmeln lästiger Besucher inszenierten Anfälle hervorhob, sich in der Zuspitzung durch den eifrigen Doktoranden dann aber doch gründlich missverstanden fühlte und dessen steile These von der Genieverkennung und der ausweichend vorgeschützten Hypochondrie ablehnte. Also keinesfalls wollte, dass dieser Heißsporn von einem angehenden Germanisten sich ihn, Bertaux, als Gewährsmann erküre.

Wodurch ich mit der Frage, ob Hölderlin nicht nur ab und zu durchgedreht hat, sondern im pathologischen Sinne unter seelischen Störungen litt, wieder im Regen stand.

von Ulrich Land (Kommentare: 0)

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