Romanwerkstatt

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Diese Tour vor fast einem halben Jahrhundert, ein unbedarfter Neugiertrip. Warum ausgerechnet Tübingen unsere Neugier als vielleicht Siebzehnjährige so entzündete, dass wir eine Reise dorthin unternahmen, weiß ich nicht. Jedenfalls war's das erste Mal, dass ich den Hölderlinturm besuchte. Seine kärgliche Kammer. Mit den kahlen, zumindest jetzt kahlen Wänden. Bei zugleich fantastischer Lage am fast seestill vor sich hinströmenden Neckar. Der wunderbare Blick aus den Turmfenstern. Vor allem aber die Vorstellung, dass hier ein Dichter, der nun wirklich Genie und Wahnsinn unfassbar nah aneinanderrücken ließ, der die Schönheit und Freiheit der griechischen Antike wieder und wieder beschwor und Gedichte von organischer Schönheit schuf, die Vorstellung also, dass dieser freiheitsliebende Verseschmied hier oben in dieser beengten Kammer 36 Jahre, ein halbes, sein halbes Leben zubrachte, dieses unglaubliche Zusammengehn von Enge, Schönheit und Freiheit, traf mich wie ein Paukenschlag.

Wirkt über die Zeit hinweg. Schwache Erinnerung, langer Nachhall.

von Ulrich Land (Kommentare: 0)

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