Echo

Revanche mit Augenzwinkern – Ulrich Land lässt Goethes Liebschaften zu Wort kommen

Ingeborg Salomon in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 20.10.2024

Als wohl größter deutscher Dichter wird Goethe oft und gerne gefeiert, zumal sich im August sein 275. Geburtstag jährte. Seine Werke sind das eine, seine Persönlichkeit das andere; auch die wurde ausführlich und immer wieder analysiert, vor allem sein Verhältnis zu Frauen. Bindungsscheu, egoistisch und immer auf Reisen, wenn’s ernst wurde war Johann Wolfgang ein wohl eher schwieriger Mann, von Partnerschaft auf Augenhöhe sprach im 18. Jahrhundert ohnehin noch niemand. Jetzt schickt der Freiburger Autor Ulrich Land sieben Frauen in Goethes Leben auf Rachefeldzug. "Die Leiden der jungen Weiber: Das Goethe-Komplott“ ist ein augenzwinkerndes Gedankenspiel: Was, wenn es Goethe nie gegeben hatte? Wenn seine Musen rund um Charlotte von Stein und Christiane Vulpius ihn nur erfunden hätten, weil sie es satt hatten, nach der Pfeife ihrer Männer zu tanzen. Grund genug hätten sie: An Charlotte von Stein hat der Meister rund 1700 Briefe geschrieben, und die Germanisten rätseln bis heute, was sonst noch so war zwischen den beiden. Vermutlich nicht allzu viel, denn bekanntlich floh Goethe für satte zwei Jahre nach Italien, um nach seiner Rückkehr mit Christiane Vulpius zunächst eine Liaison, später gar die Ehe einzugehen. Mit ihren Krankheiten und Schmerzen ließ er sie dann allerdings allein, nicht einmal zu ihrer Beerdigung war Goethe anwesend.

Goethe als Blitzableiter? Auf 216 Seiten entwickelt Ulrich Land, der Creative Writing lehrt und bisher zwölf Romane, außerdem Lyrik, Prosa, Essays sowie fast 200 Hörspiele und Radiofeatures veröffentlicht hat, ein flirrendes Gedankenspiel. Es beginnt amüsant, gewinnt dann immer mehr an Tempo, bis sich alle Beteiligten in einem Netz aus Täuschungen und Intrigen zu verfangen drohen. Die Geister, die sie riefen, werden die frustrierten Frauen bis zum überraschenden Finale fast nicht mehr los. Der große Dichterfürst bekommt natürlich auch höchstpersönlich einen Auftritt in diesem Roman, ebenso wie beispielsweise Fausts wissenschaftlicher Gehilfe, Wagner, oder Wilhelm Meister, der mit seiner Theatertruppe beim Herzog gastiert.

Mit Johann Friedrich Weygand und Johann Friedrich Cotta sind auch zwei schillernde, sehr unterschiedliche Verlegerpersönlichkeiten in die Handlung eingewoben. Das Buch pendelt zwischen Dichtung und Wahrheit hin und her, der Leser wird vor immer neue Rätsel gestellt. Das ist spannend und auch amüsant. Entthront wird der große Goethe von Ulrich Land nicht, aber an seinem Sockel wird ein bisschen gekratzt - zur Freude heutiger Leser. Wer nicht so vertraut ist mit Goethes Musen und seinen literarischen Figuren, findet am Ende eine Auflistung mit Kurz-Biografien.

 

© 2024 RNZ

von Ulrich Land (Kommentare: 0)

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