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Astrid Tauch, SWR 2 Redakteurin:
"Leidenschaft fürs Radio – der Autor und Rundfunkjournalist Ulrich Land"
in: SWR2 am Samstagnachmittag am 07.05.2022 in SWR2
©2022 SWR
( mit freundlicher Genehmigung von Astrid Tauch )
Eine Etagenwohnung in Tiengen bei Freiburg : der Hausherr Ulrich Land: Jahrgang 1956, graue Haare, 3-Tagebart, wache, freundliche Augen. Durchs Wohnzimmer, wo uns die mongolische Schwiegermutter zuwinkt, geht’s ins Allerheiligste: über eine Wendeltreppe in das kleine Arbeitszimmer unterm Dach.:
Der Schreibtisch vollgestellt mit Arbeitsutensilien: neben dem kleinen Computer ein Telefon mit Wählscheibe aus den 50er Jahren, unterm Tisch der Duden in 12 Bänden. Hier arbeitet ein bekennender „Digital immigrant“:
„Also ich schreibe mit Füller, die literarischen Texte, die ne besondere Form von Sprache verwenden. Ich lese gerne Bücher, richtige Bücher, ich lese auch ne Zeitung aus Papier. Und ich finde nichts schöner, als in der Straßenbahn zu sitzen: alle Leute schauen zu, wie ich mit diesem unhandlichen Teil durch die Gegend wusele, und trotzdem bin ich glücklich damit, muss ich sagen.“
11 Bücher sind Ulrich Land schon aus der Feder geflossen, im Coronajahr 2021 waren es sogar zwei.Und immer wieder Krimis.
„Was mich interessiert, ist abweichendes Verhalten, dass irgendjemand aus dem Alltag aussteigt. Da kommt mir zugute, dass ich früher Hörspiele mit Knackis, mit Gefangenen gemacht habe, Workshops, so dass ich zumindest weiß, wie sich das anfühlt, wie deren Realität sich darstellt.“
Sein Steckenpferd sind mysteriöse Dichtertode, vermeintliche Selbstmorde, die ja vielleicht in Wahrheit handfeste Morde waren. So wie der Fall Heinrich von Kleist:
„Es gibt das tragische Ende in seiner Biografie; ist historisch verbrieft, dass er am Ende sich mit einer jungen Frau, HenrietteVogel, in einer Art Doppelselbstmord erschießt. Er erschießt erst sie und dann sich selbst. Und komischerweise fand man 3 Pistolen, obwohl er nur 2 gebraucht hätte, eine für sich, eine für die Frau. Das ist bis heute nicht geklärt, wieso da 3 Pistolen rumliegen.“
Er hat jetzt Henriette Vogel über den Haufen geschossen, steht davor und überlegt sich: ohohoh, und will raus aus der Situation. In dem Augenblick taucht Michael Kohlhaas auf, eine Figur aus einer seiner Novellen. Dieser Michael Kohlhaas tritt aus seinem Reclamheftchen und sagt: So, Kleist, jetzt ist es soweit, jetzt vollziehen wir das, wovor du dein ganzes Leben auf der Flucht warst, und schießt ihn darnieder; das ist der Witz dabei.“
Ein Dichter, erschossen von einer seiner erdichteten Figuren – diese verrückte Idee hatte Ulrich Land zuerst als Hörspiel verarbeitet: 2003 beim WDR.
Über 40 Hörspiele sind im Laufe der Jahrzehnte entstanden, mit literarischen, aber auch politischen Themen, wie in „Häuserkampf“ von 2015, ein Krimi über die Gentrifizierung und ihre Folgen für die Bevölkerung. 2010 schuf Ulrich Land am Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe ein begehbares Kammerhörspiel: In einem Container konnten Hörer und Hörerinnen mit Schritten nach rechts oder links ihr eigenes Hörerlebnis gestalten. Ein immenser Aufwand, den der Radiomacher auch bei seinen inzwischen über 100 Radiofeatures nicht scheut. Beispiel „ Die Innenansichten eines Eishockeyclubs“, 2014 für den WDR produziert:
„Eishockey ist ein viel akustischeres Phänomen als Fußball. Beim Fußball hörst du fast nix, weil so viele Leute rumbrüllen. Du hörst den Ball nicht mehr. Beim Eishockey hörst du alles. Jeden schlag mit dem Puck, und wenn die Jungs gegeneinander rumsen mit den schlittschuhen. Und dieses Spiel wurde mit großem Aufwand, 6 von der Decke hängenden Mikros in der Kölner Eisarena, einige an den Banden und ein Spieler war verkabelt. Das wurde binaural abgemischt, so dass man den Eindruck hat: Man hört mit dem rechten und linken Ohr gleichzeitig, der Raum bildet sich im Kopf ab, dass ein Spieler dir von vorne links nach hinten rechts durch den Kopf fährt. Darum gings.“
Jeder Beitrag, jedes Hörstück lässt die große Leidenschaft des Autors für das Medium Radio erkennen:
„Beim Radio finde ich das Geniale, dass es einfach läuft, es überrascht dich, du stehst in der Küche, sitzt in der Badewanne und schneidest deine Fußnägel, und du hörst Radio, und es kommen Sachen, mit denen du nicht gerechnet hast. Das ist anders, wenn ich im Netz bin, bewusst streame, was raussuche, bewusst selber Entscheidungen treffe, Programmentscheidungen treffe, aber im linearen, im Küchenradio hör ich was, was mir andere Leute ins Ohr säuseln wollen.“
Ulrich Lands neuestes Projekt ist übrigens ein Feature zum Thema „Kirchenschwund“. Die Recherche dazu im rheinischen Braunkohlerevier hat ihn trotz aller Professionalität sehr berührt. Eine Kirche wurde entweiht, um sie dann an den Braunkohlekonzern verkaufen zu können. Die Gläubigen demonstrierten vergeblich dagegen:
„Dann sah sich der Pfarrer genötigt, mit Security und Polizei die Gläubigen aus der Kirche zu schieben, und das war ein Erlebnis, das werd ich nie vergessen, dass das möglich ist. Dass Kirche soweit geht, ihre eigenen Gläubigen so vor den Kopf zu stoßen, nur weil es darum geht, Geld zu machen; tut mir leid, da hab ich kein Verständnis für.“
Und auch nicht für Leute,die ihn ermuntern, mal kürzer zu treten als Radiomann, der inzwischen das Rentenalter erreicht hat. Denn erstens wären da noch Ehefrau ,3 Kinder und die Oma aus der Mongolei, und zweitens hat Ulrich Land einfach noch viel zu viele Ideen im Kopf. Das nächste Buch ist auch schon fertig:
„Ja, das liegt beim Verlag, das ist Heinrich Heine, da gibt’s einen Erbschaftsstreit, der sich durch den Roman zieht, und dann kommt Goethe, weil: Goethe gabs nicht! Das ist meine Behauptung: Goethe ist eine Schimäre." (lacht)
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